Nach insgesamt 26 Stunden in Bussen und Flugzeugen bin ich ohne jegliches Gepäck zu Hause angekommen. Es wäre weit übertrieben, wollte ich behaupten die Temperaturunterschiede von 40 Grad würden mir nichts ausmachen.
In Tagebuch-Form, wie im vergangenen Jahr, möchte ich vesuchen allen Interessierten etwas von meiner Reise zu berichten. Da ich keinerlei schriftstellerische Fähigkeiten habe, bitte ich alle Unzulängichkeiten zu entschuldigen.
Meine Reiselektüre war „Denkanstöße 2014“. Darin schreibt Beatrice von Weizsäcker unter anderem: „Nicht im Reden, sondern im Tun muss der Sinn des Lebens liegen. Die kurze Lebenszeit nutzen, um auch etwas für Andere zu tun.“ Ein klein wenig von dem möchte ich umsetzen.
04.01.2014
3 Uhr 15 aufstehen. Fahrt zum Flughafen. Am Schalter von Air France in Stuttgart wird meine Gutschrift von Air France im Wert von 150 EUR für das Übergepäck nicht anerkannt. Ich muss für das dritte Gepäckstück 200 EUR bezahlen. Es ist unglaublich und nicht zu verstehen. So reise ich mit meinen 69 kg Gepäck (in der Hauptsache Geschenke für 86 Kinder und u.a. gebrauchte Laptops) über Paris nach Ouagadougou. Beim Flug über die Sahara mit ihren ausgetrockneten Flussbetten und kleinen Dörfern fragt man sich immer wieder wovon die Menschen leben. Die in den Sand eingravierten Wege wirken wie Federzeichnungen.
05.01.2014
Nach einer Nacht in immer der selben Herberge, Abfahrt um 5 Uhr in Richtung Bobo. Diesmal mit dem Auto eines mir befreundeten Burkinabe. Zwischenstation bei den heiligen Krokodilen. Sie sind sehr zahm, da sie mit Opfergaben, in Form von Hühnchen, übersättigt sind. Jedoch dürfen nur Eingeweihte aus traditionellen Familien mit ihnen kommunizieren und sie füttern. Ein dort lebender junger Bronzegestalter erzählte mir u.a., dass es in Burkina selbstverständlich ist, als erste und letzte tägliche Aufgabe nach den Eltern oder Alten zu sehen und eine gute nacht oder einen schönen Tag zu wünschen. In Bobo-Diolasso benötigen wir Stunden, um für die neuen Kinder 25 Moskitonetze zu kaufen. Im Kofferraum haben noch 5 Sparkocher Platz. Extrem schwierig zu befahrende Strecken von Banfora nach Sindou (50 km). Die neue Straße ist noch nicht fertig. Wir verfahren uns in der Nacht und kommen kurz vor Mitternacht in Sindou an.
06.01.2014
Ich mache meine Antrittsbesuche. Beim Bäcker mit 10 Baguettes für 500 CFA (umgerechnet nicht ganz 1 EUR), beim Schneider, Schmied, Apotheker, Schreiner, der Weberin (Frau Pfarrer) und bei den auf der Strecke lebenden Patenkindern. Am Abend mit Solo die 5 Sparkocher an wirklich sichtbar arme alten Frauen gegeben. 4 Hennen und einen Hahn bestellt. Mein Hahn vom letzten Jahr wurde, wie die Hühner, von Schlangen getötet.
07.01.2014
Mit dem Schneider in das 7 Kilometer entfernte Dorf Duna gefahren, um die Stoffe für die neuen Kleider der Kinder auszuwählen. Eine bessere Qualität hatte auch eine leichte Preissteigerung zur Folge. Gleichzeitig 3 Fahrräder und insgesamt 10 Solarlampen gekauft. Alle Päckchen, auch die Französisch-Englischen Wörterbücher, sind angekommen.
08.01.2014
Da Mohammed mit dem Auto noch da ist, fahren wir für einen Kurzbesuch in die Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste). Erleben schon an der Grenze unglaubliche Schikanen. Die ganzen Kontrollen kosteten viel Bestechungsgeld! Die Menschen sind ok. Ich werde von Studenten zum Essen von Mais und Fisch unter einem Mangobaum eingeladen. Bekomme dazu sogar Messer und Gabel. Beide studieren ökologische Fächer in Abidjan.
09.01.2014
Da in Burkina und der Côte d’Ivoire Baumwolle angepflanzt wird, treffen wir in einem Dorf bei Korogo eine Organisation von Webern. Mehr als 360 Weber arbeiten, teilweise unter freiem Himmel, im Familienverband mit nie gesehenem Eifer an ihren ca. 20 cm breiten Bahnen; manche mit schönen Mustern. Ich bin total begeistert! So etwas wünscht man sich für viele Dörfer. Neben der Weberei befindet sich eine Schmuckwerkstatt in der nur mit Ton gearbeitet wird. Dies jedoch mit einer Fingerfertigkeit und fantasievollen Mustern, dass selbst ich, als Goldschmied, mir ein Erinnerungsstück mitnehme. In einem weiteren, nur schwer erreichbaren, abgelegenem Dorf (extrem starke Regenfülle, die zu Überschwemmungen und Einsturz vieler Hütten führten haben die Naturwege bis zur Grenze der Befahrbarkeit ausgewaschen). In diesem Dorf mit 6 Pavillons malt jeweils ein Mann auf Stoff, mit Hilfe eines geschmiedeten Eisen, seine Figuren ohne jegliche Vorzeichnung, ohne Entwurf. Die Farbe dazu wird aus der Rinde verschiedener Bäume gewonnen. Ausgekocht ist das Endprodukt sogar waschbar. Neben Kontakten zu katholischen und evangelischen Kirchen finde ich eine überraschend große methodistische Kirche, die an Sonntagen mit mehr als 200 Menschen voll besetzt ist. In jedem größeren Dorf gibt es sehr gut funktionierende Freikirchen.
10.01.2014
Unser Führer will mit uns nach Kong. Dort, Empfang beim Dorfchef. Er begleitet uns nach Überreichung eines Gastgeschenks zur neuen, im sudanesischen Stil erbauten Moschee. Keine Stadt in Westafrika ist so sauber wie Kong. Und zwar deshalb, weil es die Geburtsstadt des neuen Präsidenten ist. Auch zeigt man uns den Hotelkomplex eines Ministers, der selbst in Europa seinesgleichen suchen müsste.
11.01.2014
Wir sind wieder zurück in Sindou. Ich werde ganz überraschend bei Zacarias, dem Verwalter des Medikamenten-Depots, zum Abendessen eingeladen, nachdem ich mich vom größten Teil der Staubschicht befreit hatte. Er bedankte sich sehr und rechnet ganz exakt in Form von Belegen mit mir ab.
12.01.2014
Sonntäglicher Kirchgang. Die 2,5 Stunden werden mit sehr viel musikalischen, rhythmischen Beiträgen unterbrochen. Die Predigt wird immer in Französisch gehalten und direkt in die Landessprache Dula übersetzt. Ich soll mich vorstellen und über meine Aktivitäten in Sindou / Burkina-Faso berichte. Beim Gang zum Gymnasium will ich sehen, wie viel Sand und Steine von der Bevölkerung für den Schulneubau gesammelt wurden. Das ist eine der Voraussetzungen, damit die Deutsche Organisation ASAO anfängt zu bauen. Soweit ich das beurteilen kann ist alles ok. Auch die Elektroinstallation, von uns finanziert, ist in jedem Klassenzimmer angekommen. Ich treffe dort einen Sozialarbeiter der mir bestätigt, dass viele hilfsbedürftige Kinder, die gerne in die Schule möchten, vom Staat nicht unterstützt werden und somit außen vor bleiben. Ich gebe es an Solo weiter… Am Abend verteilen wir wieder Sparkocher an alte Frauen. Beim Blick in eine Hütte, in der gerade eine alte Frau arbeitet (sie sortiert die Karité-Nuß) rennen am Tag unzählige Ratten wild durcheinander. Vergeblich suche ich auf dem nächsten Markt Fallen! Solo ist begeistert vom mitgebrachten, gebrauchten Laptop. Alles funktioniert. Für das Internet benötigt er noch den entsprechenden Chip. Im Dorf treffe ich einen amerikanischen Missionar. Er fährt einen Allrad und sieht seine fragwürdige Aufgabe in der Bekehrung der Muslime.
13.01.2014
In einer separaten Hütte habe ich die Geschenke für die Kinder sortiert. Es ist Markt. Ich kaufe, nach Absprache mit der Köchin des Campingplatzes, Gemüse. Ich muss unbedingt Dula lernen, da niemand auf dem Bauernmarkt Französisch spricht. Wir verteilen Solarlampen im alten Teil des Dorfes, bei Patenkindern. Beim Gang durch das Dorf treffe ich immer wieder Gruppen von Schülern, die gemeinsam an einer Tafel lernen. Ein beispielhaft guter Weg.
14.01.2014
Fahrt mit dem Motorrad in das Dorf Sindoukoroni (ca. 500 Einwohner), einige Kilometer westlich gelegen, ganz versteckt in der Pampa. Kein Weg, nur ein ganz schmaler, sandiger Pfad der nur bedingt befahrbar ist, führt dahin. Man lebt einfach in und mit der Natur. In dem Bach, durch den der Weg führt, wird gerade gewaschen. Er ist auch der einzige Trinkwasserlieferant und färbt sich in der Regenzeit rot. Das Trinkwasserproblem führt immer wieder zu schwerwiegenden Krankheiten, wie der Dorfchef berichtet. Wir haben dort 5 Patenkinder. Seitdem lässt mich der Gedanke, dem Dorf mit einem Trinkwasserbrunnen zu helfen, nicht mehr los. Ein Kostenvoranschlag liegt mir vor. Doch will ich mich von ASAO beraten lassen. Die Kinder treffen wir in der 2 km entfernten Schule und übergeben die Solarlampen. Am Nachmittag bei Madame Bado, Besichtigung des neuen Webstuhl: er ist 1,5 m breit. Ein katholischer Chor probt und lädt mich zum Open Air Gottesdienst ein. Beim Schneider den Stoff für die neuen Kleider bezahlt.
15.01.2014
Konferenz mit Lehrern der Grundschule. Ich bringe Geld und Geschenke der Öschelbronner Grundschule. Eine Liste von Wünschen liegt bei Solo. Er hat Protokoll geführt. Ein besonderes Anliegen ist die Schulküche, die auf drei Steinen, hinter der Schule, ohne Dach ist. Sie wird von den Eltern organisiert und finanziert. Mütter kochen im Wechsel. Auch Sportgeräte, ein Schulgarten, usw. Es ist über Mittag unerträglich heiß. Am Nachmittag nehme ich am Unterricht teil. Thema eins: Gesundheit, Mikroben, Untersuchungsmöglichkeiten. Thema zwei: Geographie. Der Lehrer, aber besonders die Schüler, sind sehr engagiert. Die Antworten werden auf einer kleinen Tafel dem Lehrer präsentiert und sofort ausgewertet. Am Ende, Dank für das Trinkwasser, welches von uns finanziert wurde. Insgesamt 4 Familien mit jeweils 4 Hennen und Hahn beschenkt, die Basis für eine Aufzucht.
16.01.2014
An dem Tag an 68 Kinder Geschenke, und an die Neuen Moskitonetze, verteilt. 150 Bilder mit Nummern gemacht. Schwül-warm, wie Sauna, der Himmel bedeckt.
17.01.2014
4 mal 25 kg Reis, 2 mal 25 kg Mais gekauft um die schlechte Ernte auszugleichen und nicht nur Geld weiter zu geben. Fahrt mit dem Motorrad 7 km zum nächsten Dorf. Dort, Treffen mit einem Lehrer, der ein Schneider-Diplom hat und in der Sonderschule von Solo unterrichtet. Wir kaufen verschiedene Stoffe, den passenden Faden, 5 Scheren und eine Solarlampe. Am Abend langes Gespräch mit einem Lehrer über Möglichkeiten von Nachhilfe für unsere Schüler, die Versetzungs-gefährdet sind. Solo, Erde der Kinder, übernimmt die Finanzierung. Dazwischen, Besuch einer alleinstehenden Mutter, deren Hütte zusammengefallen ist. Für meine Hilfe bekomme ich ein Huhn geschenkt. Zum ersten Mal erlebe ich ein langes Gewitter mit etwas Regen. Das erklärt die Schwüle.
18.01.2014
Beim Medikamenten-Depot kaufe ich 20 Päckchen Binden für die Mädchen. Wir verteilen Reis, Mais, Hühner und, wo notwendig, etwas Geld.
19.01.2014
Ich besuche das Krankenhaus von Sindou. Ein Blick in ein Krankenzimmer reicht, um nach Möglichkeit nicht krank zu werden. Unglaublich, unbeschreiblich… Dank unserer Spender hat auch die Grundschule jetzt Licht. Eine einsame Fototour durch die, jedes Mal beeindruckenden Felsformationen von Sindou, lassen mich staunen; sodass ich ganz kurz vor Dunkelheit im Dorf eintreffe.
20.01.2014
Auch die Hütte unseres Nachtwächters ist dem Regen zum Opfer gefallen. Ich begleite ihn und finanziere dem Maurer das Fundament. Die ganze Großfamilie arbeitet zusammen. In dem alten Teil von Sindou treffe ich Vater und Sohn, die in einer Hütte Silberschmuck herstellen. Ich kann es nicht glauben, mit wie wenigen Werkzeugen schöne Schmuckstücke gefertigt werden können.
21.01.2014
Fahrt nach Banfora mit dem Motorrad. Hin und zurück ca. 100 km. Ich versuche auf dem Rücksitz zu schweben um meine Wirbelsäule zu schonen, da es gewaltige Schläge gibt. nach Geldwechsel kauf eich für dei 10 Mädchen in der Sonderschule zwei Original Singer-Nähmaschinen, noch drei Schneiderscheren und ein Bügeleisen für Holzkohle. Am Abend kommen 4 Schüler aus den Oberklassen des Gymnasiums mit der Bitte eine transportable Tafel für sie zu finanzieren. Ich verhandle mit dem Schreiner. Wir einigen uns.
22.01.2014
Ich befestige Spiegel in der Hütte usw. Ich mache meine Abschiedstour durch das Dorf. Solo hat nur wenige Dankschreiben von den Kindern. Er sortiert die Zeugnisse. Dank hat in Burkina generell einen viel niedrigeren Stellenwert als bei uns.
23.01.2014
8 Uhr, Abfahrt mit dem Bus. Lehrer, der Schneider und Solo verabschieden mich. Dem Sekretär der Grundschule überreiche ich zum Abschied zwei mal drei abwaschbare Landkarten von Afrika, der Welt und Burkina-Faso. In drei verschiedenen Bussen 12 Stunden Fahrt. Mohammed holt mich am Busbahnhof ab.
24.01.2014
Mit Mohammed zum Schlingensief-Operndorf. Es wächst. Das Spital ist fertig. Besuch bei zwei verschiedenen Kunsthandwerker-Zentren.
25.01.2014
Rückflug Ouagadougou – Paris – Amsterdam – Stuttgart: 16 Stunden. Ankunft ohne Gepäck!
Von wenigen Ausnahmen abgesehen gingen alle Geschenke (Reis, Mais, Solarlampen, Fahrräder, Geld, Sparkocher) an die Patenkinder oder deren Familien. Alle meine Aktivitäten mit den Kindern und in den Dörfern Sindou und Sindoukoroni waren nur aufgrund Ihrer Spenden möglich. Der Patenschaftsbeitrag wird davon nicht berührt!
Ganz herzlichen Dank im Namen aller, denen Sie geholfen haben. Danke für das Vertrauen!
Der Reisebericht ist dieses Jahr etwas ausführlicher, um Menschen, die meine Bilder nicht sehen, ein möglichst plastisches Bild von dem zu vermitteln, was ich in Sindou tue.
Siegfried Straub